Abb. 60

Johannes der Täufer mit entrolltem Schriftband

 

St. Emmeram erhielt starke Impulse durch den Mönch Hartwig von Hersfeld. Er brachte zwischen 1006 und 1028, unter dem hoch gerühmten Bischof Fulbert von Chartres, reiches Bildungsmaterial der Kathedralschule von Chartres nach Regensburg. Diese theologisch mystische, philosophische Literatur prägte die Miniaturen und Inschriften des Uta-Codex und dessen geistigen Hintergrund. Die Bleiglasfenster der Kathedrale von Chartres zeigen eine überaus hohe Anzahl Pilze der Art Psilocybe cyanescens, Abb. 38. bis 47. Sie zählen zu den schönsten, christlichen Bleiglasfensterpilzen. Die Schule von Chartres beeinflusste auch Canterbury, Oxford, durch John of Salisbury, Sekretär des Erzbischofs Theobald von Canterbury, siehe Abb. 35./70.1./77.1./97. Sie zeigen naturrealistische und fantasievoll gemusterte Pilze sehr hoher Güte.

 

Diese Miniatur des Evangelisten Johannes ist eine der prächtigsten und wegen ihres spirituellen Gehalts besonders geheimnisvoll. Zentral sitzt der greise Johannes, dem Höhenflug seiner Gedanken folgend. Der goldene Text auf dem purpurnen Hintergrund der Längsschriftbalken des Rahmens lautet: + FERT AQUILAE FACIES DOMINI SIMMISTA JOHANNES „Johannes, der Vertraute des Herrn, trägt das Antlitz des Adlers.“ Über seinem Haupt der Adler, eines der vier frühchristlichen Symbole für die Quelle der Inspiration. Als einziges der Evangeliensymbole trägt er den Heiligenschein. Die Inschrift um den Adler lautet: In xpo completa est visio aquilae ascendendo „Durch seine Himmelfahrt hat sich in Christus die Vision des Adlers erfüllt.“

Die Hexameterinschrift im Kreisrahmen um Johannes lautet: HIC RESERAT SUPERI MISTERIA FONTIS „Dieser öffnet durch seine Schriften die Mysterien der höchsten Quelle.“ Gemeint ist die Quelle Gottes, die durch das Evangelium in die Welt getragen wird. Dargestellt durch die Abbildung direkt unter Johannes. Die antike Flussgottheit giesst mit einem Gefäss die beiden stilisierten Pilze, die den Lebensbaum im Paradies symbolisieren. Wie in Abb. 49. wird der Baum des Lebens mit Pilzen dargestellt. Die Umschrift im Halbkreis lautet: Physon insuflacio interpretatur & significant evangelium Johannis. Ipse tangit naturalem partem sapientie. „Physon“ wird als Einhauchen erklärt. Er berührt den die Natur betreffenden Teil der Weisheit, d. h. die platonische Naturlehre →Schindler & Müller. Der Terminus Physon wird oft mit Leben einhauchen in Verbindung gesetzt, genau wie im Vers Offb. 6, 53.

Darum sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich ich sage euch; Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch.

(Schlachter 2000)

 

Das Medaillon unten links zeigt die Verklärung Christi.

Das Medaillon unten rechts zeigt das neugeborene Jesuskind, Christus der Erlöser, die Sichtbarwerdung des göttlichen Wortes. So schreibt Johannes im Prolog: Johannesoffb. 1, 14

Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns; und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.(Schlachter 2000)

Siehe auch Abb. 85. Bernward Evangeliar, „und das Wort wurde Fleisch.“ In dieser Miniatur ist ein kugeliger und zwei spitzkegelige Pilze abgebildet. Die Szene Joh. 1, 14 wunderschön dargestellt, siehe Abb. 56. Salzburger Perikopenbuch. Bezüglich „Teonanácatl“ (Göttliches Fleisch) und „Soma“ siehe Abb. 8.

 

Im oberen rechten Medaillon ist Johannes mit einem grossen Pilz abgebildet und verkündet der Menge die Ankunft des Erlösers.

Im oberen linken Medaillon ist die Schöpfungsgeschichte im Sinne der neuplatonischen Lehre dargestellt: Am Anfang war das Wort LOGOS und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Gott sendet Christus und er bringt das Licht wieder in die Finsternis der Welt, bevor er zurückkehrt in die Lichtwelt Gottes. Dargestellt durch Gottes Hand, die den Heiligenschein Christi hält. Neben dem Firmament mit Sonne und Mond ist links Okeanus, das Meer auf dem Fischdrachen, Sinnbild des von Gott besiegten Chaos. Rechts die Mutter Erde, Terra mit der gebändigten Schlange, dem satanischen Spiegelbild zum Chaosdrachen. Dazwischen der Baum des Lebens als stilisierter Pilz dargestellt.

 

Bildquelle: Bayerische Staatsbibliothek

 

Abb. 69.1.

 

Quattuor Evangelia, (Uta-Codex)
BSB Clm 13601
Regensburg, St. Emmeram um 1020 (?)
fol. 89v (182)

Abb. 60

Abb. 69.2.

 

Quattuor Evangelia, (Uta-Codex)
BSB Clm 13601
Regensburg, St. Emmeram um 1020 (?)
fol. 89v (182)

Genesis

 

Detail 1

 

Bildquelle: Bayerische Staatsbibliothek

 

Abb. 60

Abb. 69.3.

 

Quattuor Evangelia, (Uta-Codex)
BSB Clm 13601
Regensburg, St. Emmeram um 1020 (?)
fol. 89v (182)

Detail 2

 

Bildquelle: Bayerische Staatsbibliothek

 

Abb. 69.4.

 

Quattuor Evangelia, (Uta-Codex)
BSB Clm 13601
Regensburg, St. Emmeram um 1020 (?)
fol. 89v (182)

Abb. 60

Detail 3

 

Bildquelle: Bayerische Staatsbibliothek